Ostern verspätet sich!

Wer sich mit den Regeln für die Bestimmung des Osterfestes etwas auskennt, wird sich zu Jahresbeginn gewundert haben, dass das höchste christliche Fest in diesem Jahr erst in der zweiten Aprilhälfte stattfindet. Wie kann es dazu kommen?

Dazu muss man wissen, dass der Termin für das Osterfest an den ersten Vollmondtermin nach Frühlingsbeginn gekoppelt ist. Der Grund dafür liegt weit in der Vergangenheit. In vielen Kulturen war der Frühlingsbeginn mit der wichtigste Termin im Jahreslauf. Die Natur begann wieder zu erwachen, die Aussaat stand an. Um dies zu feiern, wurden meist die hellen Vollmondnächte zu dieser Jahreszeit genutzt. Dies findet sich schon im jüdischen Kalender wieder, in dem das Passah-Fest immer auf den ersten Vollmond nach Frühlingsanfang fällt. Da das christliche Osterfest eng mit dem jüdischen Passah-Fest verbunden ist, findet es immer an dem dem Passah-Fest folgenden Sonntag statt.

Um den Termin für das Osterfest festzulegen, gilt es, den Termin für den ersten Vollmond nach Frühlingsanfang zu bestimmen. Dazu bediente man sich früher des Metonschen Zyklus (Meton, ~460-432 v. Chr.). In diesem fallen nach 19 Jahren die Neumond- und die Vollmondtermine wieder auf das gleiche Datum. Grund dafür ist, dass 19 tropische Jahre (z. B. Frühlingsanfang - Frühlingsanfang) zu je 365, 242190 Tagen zusammen 6939,60161 Tagen entsprechen. 235 synodische Monate (z. B. Neumond - Neumond) zu je 29,530589 Tagen ergeben zusammen 6939,688415 Tage. Das ist eine Differenz von nur 2 Stunden und knapp 5 Minuten. Für die damalige Zeit waren beiden Zyklen gleich lang.

Auf Grundlage des Metonschen Zyklus entwickelten ab dem Jahr 325 n. Chr. Gelehrte aus Alexandria auf Beschluss des Konzils von Nicaea ein Verfahren zur Bestimmung des Osterdatums, den "Computus paschalis ecclesiasticus", kurz Computus genannt. Dieser wurde 525 vom skytsichen Mönch Exiguus verbessert und im gleichen Jahr für die westliche Christenheit verbindlich eingeführt.

Mit der Kalenderreform im Jahr 1582 unter Papst Gregor XIII. musste auch der Computus angepasst werden. Ein zweiter Grund für die Anpassung war, dass die Verwendung des Metonschen Zyklus dafür gesorgt hätte, das zum Osterfest 1582 der zunehmende Halbmond und nicht der Vollmond am Himmel gestanden hätte. Der kleine, oben erwähnte Unterschied von 2 Stunden und 5 Minuten summiert sich nämlich über die Jahre bis 1582 auf stolze 6 Tage auf.

Der deutsche Christophorus Clavius (1538-1612) führte diese Anpassungen durch. Er verzichtete dabei auf den Metonschen Zyklus und ersetzte ihn durch die Epakte. Sie gibt die Mondphase jeweils zu Jahresbeginn an. Die Epakte gibt die Zahl der Tage an, die am 31. Dezember eines Jahres seit dem letzten Neumondtermin vergangen sind. Sie läuft von 1 bis 29.

Aufbauend auf diesen Änderungen entwickelte Carl Friedrich Gauß (1777-1855) den nach ihm benannten Algorithmus zur Berechnung des Osterdatums, die so genannte "Gaußsche Osterformel".

So weit, so gut. Doch nun zur eingangs gestellten Frage, warum Ostern in 2019 so spät liegt. In diesem Jahr begann der Frühling am 20. März um 22:58 MEZ. Der erste Vollmond nach Frühlingsanfang fand am 21. März um 2:53 MEZ statt. Also hätte am folgenden Sonntag, dem 24. März, Ostern gefeiert werden müssen. Dass dem nicht so war, zeigt jeder Kalender. Ostern wird erst am 21. April gefeiert. Es kommt zu einer "Osterparadoxie".

Die Ursachen dafür finden sich im Computus. Dieser geht zum einen davon aus, das Frühlingsanfang immer am 21. März ist. Zum anderen wird durch den Vollmondtermin lediglich der Tag nicht aber die Uhrzeit bestimmt. Es wird deshalb vom zyklischen Vollmond gesprochen. Dieser ist nicht identisch mit dem wahren Vollmond und kann +/- einen Tag von diesem abweichen. 2019 findet der zyklische Vollmond schon am 20. März statt und damit einen Tag vor dem im Computus festgelegten Frühlingsanfang. Somit verschiebt sich der Ostertermin auf den Sonntag nach dem nächsten Vollmondtermin. Der ist am 19. April und Ostern somit am 21. April.

Weitere Informationen zu diesem Thema finden sich z. B. unter
https://www.der-orion.com/universum/10-lichtsekunden/119-ostern-und-der-mond
https://de.wikipedia.org/wiki/Osterparadoxon
Kosmos Himmelsjahr 2019 von Hans-Ulrich Keller