Faszinierendes Weltall
Eine Vortragsreihe des
Förderkreis Planetarium Göttingen e.V.
Jeweils Dienstags um 20.00 Uhr im
ZHG der
Universität Göttingen,
Platz der Göttinger Sieben, Hörsaal 008
(Wegbeschreibung).
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19. Oktober 2010:
Göttingens erster Computer
Prof. Dr. Rudolf Kippenhahn,
Göttingen
Vor etwa 60 Jahren arbeitete der Physiker Heinz Billing in Göttingen, der nach dem Kontakt mit englischen Wissenschaftlern beschloss, mit seiner Arbeitsgruppe eine elektronische Rechenmaschine, wie sie damals hießen, zu bauen. Es gelang ihm, Werner Heisenberg, den Physiknobelpreiträger und Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik, das damals seinen Sitz in Göttingen in der Böttingerstraße hatte, und Ludwig Biermann, den Leiter der Abteilung Astrophysik dafür zu gewonnen. So begann um 1950 in Göttingen die Entwicklung der Computer. Der Vortragende stieß erst später zu den Göttinger Astrophysikern, die mit der G1, dem ersten Göttinger Computer arbeiteten. Er erzählt vom Aufbau der Maschine, von den Möglichkeiten, Programme dafür zu schreiben, und von den Erfahrungen der ersten Benutzer. Er erzählt auch von einer der ersten Computergrafiken der Welt, die in Göttingen entstand, und von dem Wettrechnen der G1 mit erfahrenen Astronomen, die die Bewegung eines nahe an der Erde vorbeikommenden Kleinplaneten berechneten und zu anderen Ergebnissen kamen. Doch als der Planet dann kam, stellte sich heraus, dass die G1 der Sieger war. In Göttingen, und später als das Institut nach München übersiedelte, wurden in der Gruppe noch zwei weiter Computertypen gebaut, besser und schneller. Doch überall in der Welt, wo Forschungsgruppen Computer entwickelten, wurden sie von der Industrie eingeholt und überholt. Die Institutscomputer waren Unikate, die Industrie warf ganze Serien auf den Markt, Nun konnte man Computer von der Stange kaufen.
02. November 2010:
LOFAR - ein neues Fenster zum Universum
Prof. Dr. Marcus Brüggen,
Jacobs University Bremen
LOFAR steht für Low Frequency Array und ist ein Netzwerk von neuartigen Radioteleskopen, die im Verbund mit weiteren Stationen in den Niederlanden das größte Teleskop der Welt bilden werden. Klassische Radioteleskope sammeln, wie die meisten optischen Teleskope, Strahlung mit parabolförmigen Spiegeln, die der scheinbaren Bahn einer Radioquelle am Himmel nachgeführt werden. LOFAR hingegen ist ein völlig neuartiges, digitales Radioteleskop, das keine beweglichen Teile und Motoren benötigt. Die Radiowellen werden von einem großen Netz festinstallierter Antennen empfangen, die in fußballfeldgroßen Stationen angeordnet sind. Die digitalisierten Signale von tausenden Antennen werden über Gigabit Datenleitungen quer durch Europa zu einem zentralen Supercomputer geleitet, der die Signale zu einem Bild einer bestimmten Himmelsregion zusammenführt. Dieses neuartige Konzept erlaubt einen Blick in das Universum in einem Frequenzband, das noch völlig unerforscht ist. Der Bereich von 30-240 MHz, in dem LOFAR operieren wird, ist der letzte Teil des elektromagnetischen Spektrums, der noch nicht beobachtet worden ist. Dabei verspricht dieses Frequenzband spektakuläre Erkenntnisse über die frühen Phasen des Universums, in denen der Raum zwischen den Sternen und Galaxien noch von undurchdringbarem Wasserstoff erfüllt war. Somit wird LOFAR den bislang tiefsten Blick in unser Universum erlauben und u.a. Erkenntnisse über das Entstehen der ersten Sterne bringen.
16. November 2010:
Die Physik des Nichts im sehr frühen und sehr späten Universum
Prof. Dr. Jens Niemeyer,
Institut für Astrophysik, Georg-August-Universität Göttingen
Die Rekonstruktion der Expansionsgeschichte unseres Universums durch kosmologische Beobachtungen zeigt, dass sich das Universum seit Kurzem beschleunigt ausdehnt, anstatt wie früher erwartet abzubremsen. Völlig unabhängig hiervon benötigt die erfolgreichste Theorie für das extrem frühe Universum, die Inflationstheorie, ebenfalls eine Phase beschleunigter Expansion, um heutige Beobachtungen zu erklären. Es gibt eine einfache Form der Energie, die diese Beschleunigung verursachen kann: das Nichts, alias Vakuum. Im Vortrag wird versucht, die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der beiden vakuumdominierten Epochen des Universums zu erläutern und die Physik des Nichts zu veranschaulichen.
30. November 2010:
Die Sonne - der magnetische Stern
Prof. Dr. Manfred Schüssler,
Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung, Katlenburg-Lindau
Die Sonne spendet der Erde Wärme und Licht und ermöglicht so die Existenz von Leben auf unserem Planeten. Sie erschüttert aber auch mit ihren Eruptionen und Massenauswürfen den erdnahen Weltraum und das Erdmagnetfeld, lässt die Erdatmosphäre "atmen", sorgt für Nordlichter und Stromausfälle und beeinflusst das Erdklima. Was verursacht diese in einem Rhythmus von etwa 11 Jahren schwankende Sonnenaktivität? Der Schlüssel zum Verständnis ist das Magnetfeld der Sonne, das alle ihre Schichten durchdringt, Energie transportiert, speichert und wieder freisetzt. Der rhythmische Auf- und Abbau des Magnetfeldes ist der Ursprung des Aktivitätszyklus. Mit Beobachtungen und Messungen von Teleskopen am Erdboden und Sonden im Weltraum, mit theoretischen Untersuchungen und Computersimulationen sind wir den Geheimnissen des Sonnenmagnetfeldes in den letzten Jahren ein gutes Stück auf die Spur gekommen. Das betrifft unter anderem die dunklen Sonnenflecken und die hellen Sonnenfackeln, die Wanderung der Magnetfelder über die Sonnenoberfläche, die Umpolung der Felder im Verlaufe des 11-jährigen Zyklus, sowie die Energiefreisetzung in magnetischen "Kurzschlüssen" und beim Ausschleudern von Plasma in den Weltraum. Der Vortrag gibt einen Überblick über dieses faszinierende Kapitel der aktuellen Forschung in der Sonnenphysik: die Phänomene, ihre Erklärung auf der Basis der Dynamik des Sonnenmagnetfeldes - und auch die weiterhin offenen Fragen und Rätsel.
14. Dezember 2010:
Die Suche nach einer zweiten Erde
Prof. Dr. Stefan Dreizler,
Institut für Astrophysik, Georg-August-Universität Göttingen
Eine der ältesten Fragen der Menschheit ist die nach der Einzigartigkeit des Lebens auf unserer Erde. Sind die Erde und der Mensch einzigartig oder nur ein zufälliges Produkt günstiger Bedingungen, die auch anderswo zur Entwicklung von Leben führen können? Um diese Fragen zu beantworten suchen wir nach Planeten um andere Sterne als der Sonne, insbesondere nach Planeten auf denen sich Leben entwickeln könnte, wie wir es auf der Erde kennen. Der erste Planet um einen Stern ähnlich unserer Sonne wurde vor erst 15 Jahren entdeckt und zeigt kaum Ähnlichkeiten mit unserer Erde. Seitdem haben sich die Methoden rasant weiterentwickelt, die entdeckten Planeten ähneln immer mehr unserer Erde, und wir beginnen mit der Untersuchung der Eigenschaften dieser Planeten. Erst kürzlich wurde der erste vermutlich erdähnliche Planet mit möglicherweise lebensfreundlichen Temperaturen entdeckt. Für eine Reise zu weit entfernt, gibt er doch wichtige Aufschlüsse über die Wahrscheinlichkeit von Leben außerhalb der Erde. Der Vortrag gibt einen aktuellen Überblick über die Suche nach erdähnlichen Planeten, über die Strategien, Planeten zu finden und zu untersuchen, und über die Beteiligung der Göttinger Astrophysik an diesem Programm.
11. Januar 2011:
Die turbulente Geburt der Sterne
Prof. Dr. Ralf Klessen,
Institut für Theoretische Astrophysik, Universität Heidelberg
Eine zentrale Fragestellung der modernen Astrophysik ist es, unser Verständnis für die Bildung von Sternen und Sternhaufen in der Milchstraße zu erweitern und zu vertiefen. Sterne entstehen in interstellaren Wolken aus molekularem Wasserstoff. Der Prozess der Sternentstehung wird dabei reguliert durch das komplexen Wechselspiel aus der Schwereanziehung des Wolkengases und der darin beobachteten Überschallturbulenz. Der Vortrag fasst unsere gegenwärtigen Erkenntnisse über die Bildung von Sternen zusammen, und beschreibt die doppelte Rolle, die interstellaren Turbulenz dabei spielt. Zum einen trägt sie dazu bei, das Gaswolken auf großen Skalen gegen gravitative Kontraktion stabilisiert werden. Gleichzeitig jedoch führt sie auf kleinen Skalen zu starken Dichteschwankungen. Einige dichte Regionen fallen aufgrund der eigenen Schwerkraft in sich zusammen. Neue Sterne entstehen.
25. Januar 2011:
Gravitationswellen und deren Nachweis
Prof. Dr. Werner Becker,
Max-Planck-Institut für extraterrestrische Physik, Garching
Wenige Monate nach der Fertigstellung der Allgemeinen Relativitätstheorie im November 1915 erkannte Einstein, dass aus seiner Theorie zwangsläufig die Existenz von Gravitationswellen folgt. Die Gravitationswellenastronomie erlaubt neuartige und nur auf diese Weise mögliche Einblicke in die energiereichsten Vorgänge im Kosmos. Mit großem Aufwand wird zur Zeit der Bau eines weltweiten Netzes von Gravitationswellendetektoren vorangetrieben, mit dessen Hilfe dieses neue Fenster geöffnet werden kann. Nach einer kurzen Einführung in die theoretischen Grundlagen der Gravitationswellenastronomie werden im Vortrag die Nachweismethoden sowie die aktuellen und geplanten Gravitationswellenobservatorien vorgestellt.
08. Februar 2011:
Irdisches Sonnenfeuer - löst die Fusion das Energieproblem?
Dr. Moritz J. Püschel,
Max-Planck-Institut für Plasmaphysik, Garching
Die Sonne und andere Sterne verfügen über eine nahezu unerschöpfliche Energiequelle, die sie über Milliarden Jahre zum Leuchten bringt: In ihrem Inneren verschmelzen die Kerne leichterer Atome zu schwereren Elementen. Dabei geht ein Teil der Masse verloren und wird als Energie freigesetzt. Ziel der Fusionsforschung ist es, das "Sonnenfeuer auf die Erde" zu holen und diesen Prozess zur Energieerzeugung in einem Kraftwerk zu nutzen. Dazu muss der Brennstoff - ein Plasma aus den Wasser\-stoffisotopen Deuterium und Tritium - auf Temperaturen von etwa 200 Millionen Grad aufgeheizt und in einem Magnetfeld berührungsfrei genügend lange eingeschlossen werden, um die Verschmelzung zu Helium zu ermöglichen. Der Vortragende berichtet über den schwierigen Weg dorthin und diskutiert die Chancen, mit der Fusion das Energieproblem der Menschheit zu lösen.
22. Februar 2011:
Hyperschnellläufer - Sterne auf der Flucht
(Hörsaal 011)
Prof. Dr. Ulrich Heber,
Dr. Remeis-Sternwarte Bamberg
Die Sterne in der Milchstraße bewegen sich auf fast kreisförmigen Bahnen um das galaktische Zentrum. Einige wenige fliegen auf sehr elliptischen Bahnen bis weit hinaus in den sogenannten Halo. Bis vor kurzem galt es jedoch als unmöglich, dass ein Stern sich der Anziehungskraft der Galaxis entzieht und auf nimmer Wiedersehen in die Leere des Alls entschwindet. Im Jahre 2005 wurden gleich drei solcher "Hyper-Schnellläufer" gefunden. Was kann einen Stern so gewaltig herausschleudern? Rasch erinnerte man sich an eine theoretische Arbeit, die das Millionen Sonnenmassen schwere Schwarze Loch im Zentrum der Galaxis als Schleuder identifiziert. Diese Hypothese wurde schnell akzeptiert, d.h. der Ursprung der rasenden Sterne liegt im galaktischen Zentrum. 2008 erschütterte unsere Entdeckung eines rasenden Sterns, der nicht aus dem Zentrum kommen kann, dieses Bild. Unsere neuesten Entdeckungen erhärten diesen Verdacht und lassen die rasenden Sterne noch rätselhafter erscheinen. Im Vortrag werden alternative Schleudermechanismen vorgestellt - ein erster Schritt zur Lösung des Rätsels. Auch sei verraten, das die nicht weniger rätselhafte "Dunkle Materie" ins Spiel kommt.
08. März 2011:
Astronomie in der Steinzeit
Dr. Andreas Hänel,
Museum am Schölerberg, Planetarium Osnabrück
Gelegentlich wird die Astronomie als die älteste Wissenschaft bezeichnet. Doch wo liegen ihre Anfänge? Die faszinierenden Bauwerke der Steinzeit werden oft als die ersten Sternwarten bezeichnet. Da es keine schriftlichen Überlieferungen gibt, können nur die Orientierungen der Steinzeitmonumente Informationen geben. Eigene Untersuchungen an den Megalithgräbern in Nordwestdeutschland, der Bretagne, Südfrankreich und Katalonien werden vorgestellt, ebenso wie weitere Untersuchungen in anderen Teilen Europas. Auch die Ergebnisse der aktuellen Grabungen in Stonehenge geben Hinweise auf die astronomische Bestimmung der Anlage.